Persönlich: Vom Dunkeln zum Licht

Denkmal von Anne-Marie Müller

November – die Ernte ist fast eingebracht, gelagert hoffentlich. In der Kühltruhe wohl. Oder noch im Keller? Oder in der Erinnerung?

Jetzt wird es immer finsterer, die Tage kürzer. Dunkelheit kann uns langsam gefangen nehmen, in schwere Gedanken treiben. Und in Erinnerung an lichte, wunderbare Tage.
Beides mischt sich jetzt. Nicht zufällig fallen im November mehr Menschen in Depressionen als sonst im ganzen Jahr. Trauernde, Bedrückte, die eigentlich Unterstützung brauchen würden: Dunkelheit um sie.

In mir steigt die Erinnerung auf von einer Begegnung in einem Pflegezentrum: Eine – noch junge – Frau lag mit einer schweren Krebskrankheit im Sterben. Und, so sagten ihre Angehörigen, sie sei kürzlich, bevor sie so schwer krank wurde, aus der Kirche ausgetreten. Und dann habe sie gestern plötzlich laut gesagt, immer wieder: «Macht die Türe auf, macht jetzt die Türe auf! Ich will in die Kirche!»

Für mich gab es eine einzige Antwort: «Sagen Sie ihrer Schwester, dass die Türe offen ist. Sie muss nicht vor verschlossener Türe stehen. Wir werden den Abschied in der Kirche feiern, wenn sie stirbt».
In einer Woche war es soweit. Die Predigt für die Kirche schrieb sich fast von selbst, zum Vers aus dem Matthäusevangelium, den ich der Frau beim letzten Besuch vorgelesen hatte: «Bittet, so wird euch gegeben; sucht, so werdet ihr finden; klopft an, so wird euch aufgetan!»

Im November klopfen wir an die Tür zwischen Leben und Tod, zwischen Freude und Sorgen. Und wir werden eintreten dürfen, aus dem Dunkeln zum Licht.
Im Dezember bekamen wir als Kinder sogar eine Kerze, die wir jeden Abend anzünden durften. Sie brannte zum nächsten Strich hinunter, während die Eltern eine kleine Geschichte erzählten. Kleine Schritte zum Licht.

Jeden Sonntag im Dezember werden wir eine neue Kerze anzünden. Und vielleicht auch Geschichten erzählen, ziemlich sicher predigen… Immer ein wenig Licht mehr, auf Weihnachten hin. Kleine Schritte zum Licht.
Die Türe wird aufgehen zum Licht, immer wieder.

DenkMal von
Pfarrerin Anne-Marie Müller

Dieser Beitrag wurde fürs reformiert.lokal im November verfasst. Sie finden die Ausgabe hier.