Woche 9 / 11.–17. Mai

Sonntag, 17. Mai – Jens Naske

hätte, wäre, könnte

Es ist heute nicht zum ersten Mal in diesen Wochen, dass ich darüber hadere, dass etwas Schönes nicht stattfinden kann. Heute hätte unser Töffgottesdienst sein sollen. Am Auffahrtstag wäre der Gottesdienst auf dem Bauernhof Gut Sonnenberg gewesen. Zwei der schönsten kirchlichen Zusammenkünfte im Jahr. Man könnte es an diesen Maitagen so gut miteinander haben, gäbe es diesen Virus nur nicht.

Es ist nicht leicht, die Enttäuschung beiseite zu tun und sich dem zuzuwenden, was der Tag stattdessen für mich bereit hat. Welche Aufgabe, welche Herausforderung und welche Freude wartet anstatt auf mich?

Wenn ich zu sehr lamentiere über dieses „hätte, wäre, könnte“, hilft mir zumeist der  barmherzigen Samariter heraus. Sie kennen die Geschichte gewiss noch. Wie ein Mensch von Jerusalem nach Jericho ging, unter die Räuber fiel und halbtot am Weg liegen blieb. Priester und Levit gingen vorüber, ein Samaritaner aber liess alles, was er vorhatte, fahren und widmete sich dem, der ihn in seiner Not brauchte. Die Bibel erzählt nicht, warum er unterwegs war, was er vorhatte oder wer ihn erwartete. Sie erzählt nur, dass er sich dem stellte, was ihm in jenem Moment entgegen kam. Welche Pläne er auch gehabt haben mag, er liess sie fallen, versorgte den Verletzten, brachte ihn in die Herberge und blieb bis zum nächsten Morgen dort. Für den Samariter gab es kein „hätte, wäre, könnte“. Für ihn gab es nur das, was jetzt ist. Deswegen nimmt Jesus ihn zum Beispiel, wie man das ewige Leben ergreifen kann. In den Worten von Horaz: Carpe Diem – Pflücke den Tag!


Samstag, 16. Mai – Yvonne Meitner

Beten – Das ist mehr als Reden mit Gott

«Wir Theologinnen und Theologen haben keinen direkteren Draht zu Gott als andere Menschen.» Dieser Aussage meines Pfarrkollegen Jens Naske in seinem gestrigen Blog-Beitrag kann ich nur beipflichten.

Und gerade deshalb würde ich es persönlich begrüssen, wenn nach jedem Gottesdienst noch ein freiwilliges Nachgespräch zum Predigtthema stattfände, weil ich dabei andere Erfahrungen, Meinungen zum Thema mitbekomme.

Und beim Vorbereiten meiner Lesepredigt für den morgigen Sonntag zum Unser Vater-Gebet habe ich gemerkt, wie viel es zu sagen, aber vor allem auch zu erfahren von anderen Gemeindegliedern gäbe. Mögen Sie mir Ihre Meinung, Ihre Erfahrungen zum, mit dem Unser Vater-Gebet mitteilen? Es würde mich sehr freuen!

Und nun noch ein anderer Zugang zum Unser Vater-Gebet, welcher auf anregende Weise zeigt, dass ein Gebet keine Flucht aus der Praxis, sondern ihre Innenseite ist. Gebet wird durch Handeln nicht überflüssig, sondern das Handeln bleibt auf das Gebet angewiesen.

BeterIn: «Unser Vater im Himmel…»
Gott:      «Ja?»
B.:         «Unterbrich mich nicht! Ich bete.»
G.:         «Aber du hast mich doch angesprochen!»
B.:          «Ich dich angesprochen? Äh … nein, eigentlich nicht! Das beten wir eben so: Unser Vater im Himmel!»
G.:         «Da, schon wieder. Du rufst mich, um ein Gespräch zu beginnen, oder? Also worum geht’s?»
B.:          «Geheiligt werde dein Name…»
G.:         «Meinst du das ernst? Weißt du, was das bedeutet?»
B.:          «Es bedeutet… es bedeutet … meine Güte, ich weiss nicht, was es bedeutet. Woher soll ich das denn wissen?»
G.:         «Es heisst, dass ich dir viel bedeute und dass du meinem Namen Ehre machst.»
B.:          «Aha, hm, das verstehe ich. Also: Dein Reich komme, dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden…»
G.:         «Tust du das wirklich?»
B.:          «Natürlich. Ich zahle Kirchensteuer, und gehe ab und zu in den Gottesdienst.»
G.:         «Das ist schön, aber was ist denn dein persönlicher Beitrag zu mehr Frieden und mehr Gerechtigkeit in der Welt?»
B.:          «Warum fragst du mich das? Da gibt es noch andere, die vor Geld nicht aus den Augen sehen können und nichts tun.»
G.:         «Entschuldige, ich dachte, du wärst persönlich daran interessiert, dass mein Wille mehr beachtet wird auf Erden. Du betest doch darum.»
B.:          «Kann ich jetzt mal weiterbeten? Unser tägliches Brot gib uns heute…»
G.:         «Es freut mich, dass du nicht nur um dein Brot bittest, sondern um Brot für alle.»
B.:          «Stimmt, habe ich gar nicht daran gedacht.»
G.:         «Es gibt ja noch genug Arme und Hungernde auf der Erde, die mehr brauchen als nur eine kleine Spende.»
B.:          «Eigentlich hast du Recht, ich weiss. Darum bete ich ja auch: Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.»
G.:         «Und deine Nachbarin?»
B.:          «Hör mit der auf? Mit der will ich nichts mehr zu tun haben. Die grüsst mich ja auch nicht mehr.»
G.:         «Habe ich gehört. Aber dein Gebet?»
B.:          «Mit meiner Nachbarin hat das nichts zu tun. Soll die sich doch erst bei mir entschuldigen.»
G.:         «Fühlst du dich denn gut dabei?»
B.:          «Nein.»
G.:         «Ich will dir helfen. Vergib ihr doch und ich vergebe dir. Ich vergebe dir auch jetzt schon. Und du weißt, da ist einiges.»
B.:          «Ich werd’s mir überlegen. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen…»
G.:         «Gut, wenn du mich darum bittest, aber du kannst auch etwas dazu beitragen.»
B.:          «Wie denn?»
G.:         «Das Böse, fängt das nicht auch im eigenen Kopf und im eigenen Herzen an: Alle Schuld auf die Ausländer schieben oder immer bequemer leben wollen und sich nicht um die Schöpfung scheren oder mit der Faust zuschlagen, statt miteinander zu reden? Hast du diese Versuchung noch nie gespürt?»
B.:          «Ich finde, jetzt wird es aber ungemütlich. Ich wollte doch einfach nur ein Unser Vater beten.»
G.:         «Bete ruhig zu Ende.»
B.:          «Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.»
G.:         «Amen.»
B.:          «Ja, das stimmt. Wenn ich an die Reichen und Mächtigen denke, die es hier auf Erden gibt, dann bin ich froh, dass sie nicht über alles bestimmen können. Die Macht und die Kraft und die Herrlichkeit ist bei dir doch besser aufgehoben.»

Und wie bereits erwähnt, morgen Sonntag gibt es eine Lesepredigt zum Unser Vater-Gebet von mir, mit anderen «tiefsinnigeren» Gedanken.

(Bis jetzt im Jugendgottesdienst eingesetzt, ursprünglich aus dem Konfirmationslehrbuch «Neues Kursbuch Konfirmation», Patmos Verlag, 2003)


Freitag, 15. Mai – Jens Naske

Corona und die Theologie

Wir Theologinnen und Theologen haben keinen direkteren Draht zu Gott als andere Menschen. Obschon wir mitunter so auftreten, als ob wir seine persönlichen Sekretäre seien, wenn wir im Gottesdienst Sätze beginnen mit den Worten «Gott will, dass…» und dann doch nur unsere persönliche Spekulation kundtun. Was Gottes Wille genau ist, das wissen auch wir im besten Falle nur ansatzweise aus dem, was wir in der Bibel lesen. Ansonsten können wir wie alle anderen nur darauf vertrauen, dass Gottes Wille es gut mit uns meint, und dass unsere Bitte im Unser Vater – «dein Wille geschehe» – uns zum Vorteil gereicht.

Theologie als Wissenschaft befasst sich nicht in erster Linie mit dem Wissen über Gott, sondern mit der Denkmöglichkeit Gottes innerhalb unserer Erkenntnismöglichkeiten. Wie kann man den Gott der Bibel denken in den Gegebenheiten unserer Welt, mit ihren naturwissenschaftlichen Gesetzen, ihrer Vielfalt an Leben und Lebewesen und vor allem Angesichts der Fortschritte, die das menschliche Wissen ständig macht? Man sagt, das menschliche Wissen würde sich alle sieben Jahre verdoppeln. Das bedeutet, dass unser Weltbild ständig korrigiert werden muss. Und so muss auch die Theologie die Frage, wie Gott in unseren sich wandelnden Weltbildern zu denken ist, immer wieder neu stellen.

Ich bin der Meinung, dass es unsere Aufgabe als Theologinnen und Theologen ist, Möglichkeiten aufzuzeigen, wie der liebende Gott mit dem Coronavirus zusammen gedacht werden kann. Kann das, was wir gerade erleben, als Wille Gottes begriffen werden? Und wenn nicht, welcher anderen Möglichkeiten gäbe es, die Existenz von Corona zu verstehen, und gleichzeitig an dem liebenden Gott festzuhalten, der uns offenbar nicht von dieser Geissel befreit? Um eine Stellungnahme können wir Theologinnen und Theologen uns nicht drücken. Wir sind es unseren Predigthörern meiner Ansicht nach schuldig.

Wir Pfarrerinnen und Pfarrer sind aber nicht nur theologisch ausgebildet, wir sind auch Seelsorgende. Und als solcher haben wir nicht nur die Aufgabe, zu denken und erklären, sondern auch zu ermutigen und trösten. Welches von beidem ist die wichtigere Aufgabe? Gestern habe ich dazu eine klare Stellungnahme vom mittlerweile 94-jährigen Theologen Jürgen Moltmann gelesen, dem Professor, der mich in meinem Studium am meisten geprägt hat. In einem kurzen Beitrag mit dem Titel «Hoffnung in Zeiten der Corona-Pandemie» schreibt er:

«Die Frage: Warum lässt Gott das zu?, ist eine Zuschauerfrage, nicht die Frage der Betroffenen. Sie fragen nach Heilung und Trost. Als ich das Ende meiner Heimatstadt Hamburg im Feuersturm im Juli 1943 überlebte, habe ich nach Gott geschrien um Rettung und nicht die Warumfrage gestellt.»


Donnerstag, 14. Mai – Martin Günthardt

Amazing Grace

Gestern Nachmittag hatte ich meine erste Trauerfeier in einer Kirche seit gut zwei Monaten. Nicht in Höngg, sondern in der reformierten Kirche Oberrieden am Zürichsee. Denn da wohnt die Mutter der jungen verstorbenen Frau, von der wir leider viel zu früh Abschied nehmen mussten.

Ich war gespannt und auch ein wenig nervös, wie das nun mit allen Auflagen und Vorschriften sein würde. Würde eine feierliche und würdige Stimmung entstehen können, die gemeinsam Abschied nehmen und Trauern ermöglicht?

Die Antwort ist: Ja. Geholfen hat die umsichtige und sorgfältige Planung der Schwester der Mutter, unterstützt vom hilfsbereiten Sigristen. Zusammen haben sie vor der Feier sorgfältig auf den Bänken A4-Blätter mit dem Namen der Gäste hingelegt, so dass alle ihren festen Ort zugewiesen hatten. Als wir vom Friedhof in die Kirche kamen, fanden alle schnell und ruhig ihren Platz.

So konnten die Familien und Paare zusammensitzen in kleinen Gruppen, gut verteilt im Kirchenschiff. In diesen kleinen Gruppen konnten die Menschen sich auch berühren und Kraft geben, was deutlich spürbar war. Es waren für mich wie kleine Zellen, die Wärme abgaben und obwohl räumlich getrennt, geistig stark miteinander verbunden.

Am meisten aber hat mich das gemeinsame Singen berührt. Die bekannte Sängerin Brandy Butler, begleitet vom Jazzpianisten Raphael Jost, intonierte „Amazing Grace“ und ermunterte die Trauergemeinde mitzusingen. Geführt durch ihre starke Stimme getrauten sich die Anwesenden, kräftig einzustimmen und ich habe wieder einmal die gemeinschaftsstiftende Kraft des Singens erlebt.

Amazing Grace, how sweet the sound,
that saved a wretch like me.
I once was lost, but now I’m found
was blind, but now I see.

Erstaunliche Gnade, wie süss der Klang,
die einen armen Sünder wie mich errettete.
Ich war verloren, aber jetzt bin ich gefunden,
War blind, aber jetzt sehe ich.


Mittwoch, 13. Mai – Matthias Reuter

Himmelsleiter

In diesem Frühjahr blüht bei uns Pfarrgarten eine wunderschöne blaue Himmelsleiter, auch Jakobsleiter genannt. Ich habe sie im letzten Jahr auf dem Wildstaudenmarkt hier in Horgen gekauft – einfach, weil ich den Namen so schön fand. Ich wusste nichts über die Pflanze. Inzwischen freue ich mich über die wunderschönen himmelblauen Blüten mit langen, auffallend gelb gefärbten Staubblätter. Noch mehr freut mich, dass nicht nur ich die Himmelsleiter mag, sondern sie auch bei vielen Insekten wie Bienen, Hummeln und Schmetterlingen begehrt ist. Der Name der Pflanze leuchtet mir ein: Die länglichen, gefiederten Blätter wirken wie kleine Leitern.

Zum anderen erinnert der Name an eine biblische Geschichte, in der Jakob von einer Himmelsleiter träumt: Der biblische Jakob hat so einiges auf dem Kerbholz. Er hat betrogen – seinen Bruder und seinen alten Vater. Ergaunert hat er sich von seinem blinden Vater den Segen, der seinem älteren Bruder Esau zugestanden hätte. Und verbunden mit dem Segen auch allen Besitz des Vaters. Jakob weiss um seinen Betrug, er hat ihn ganz bewusst begangen; und er ist nicht mehr rückgängig zu machen. Auch wenn der Vater schier verzweifelt und der Bruder platzt vor Wut. Also flieht Jakob aus Angst vor der Rache seines Bruders. Richtung Osten von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang führt ihn sein Weg. Es wird dunkel. Weit und breit kein Haus, keine Hütte, die Unterschlupf bietet, nur eine verlassene Stätte mit ein paar Steinen. Das muss reichen.

Jakob schläft ein und beginnt zu träumen. Eigentlich müsste Jakob Albträume haben, auf der Flucht vor dem Bruder, den er hintergangen hat. Auf der Flucht vor sich selbst. Doch Jakob wird ein wunderschöner Traum geschenkt. Er träumt von einem offenen Himmel, von einer Leiter, die vom Himmel bis auf die Erde reicht, auf der Gottes Boten hinauf- und hinabsteigen. (Gen 28,12ff). Mehr noch: In seinem Traum hört Jakob Gottes Stimme, die ihn segnet: Ich bin mit dir und werde dich behüten, wohin du auch gehst.

Gottes Segen für Jakob zeigt mir, dass Gott frei darin ist, wem er sich wann, wo und wie zeigt und wem er seinen Segen zukommen lässt. Auch Menschen mit keiner blütenweissen Weste. Wer hat die schon? Gott richtet nicht nach den Buchstaben des Gesetzes. Was wäre dann aus Jakob geworden? Was würde aus mir? Gott hat andere Massstäbe als wir Menschen. Und vor allem ist Gott barmherzig. Und darum müssen wir auch nicht immer so streng mit uns sein, wenn Gott uns doch segnet.


Dienstag, 12. Mai – Yvonne Meitner

Momente kleinen Glücks

Ich weiss nicht, welche Gedanken Ihnen durch den Kopf gegangen sind, nachdem Sie meinen letzten Blogbeitrag mit der Idee des Vogelzählens gelesen haben.

Erst durch meinen ehemaligen Partner ist mir die Vogelwelt vertrauter geworden, kenne ich mich inzwischen ein wenig darin aus. Und was manche Menschen fasziniert, lässt andere hingegen total kalt oder löst mindestens nicht dieselbe Begeisterung aus.

Letzteres ist mir vor kurzem bei einem Spaziergang mit einer Bekannten -selbstverständlich immer in der nötigen Distanz – aufgefallen. Uns beiden ist zwar eine wildwachsende weisse Iris zwischen Trottoir und Strasse aufgefallen, aber während meine Bekannte ganz fasziniert stehen blieb und kaum den Blick von der Iris abwenden konnte, fand ich diese weit weniger aufregend. «Die Schönheit/Kunst liegt im Auge des Betrachters», wie wahr ist doch diese Aussage!

Den einen fallen kleinste Details auf und gerade dadurch wird ein Objekt zum Lieblingsobjekt oder wie in obigem Fall zu einem Moment, der nicht so schnell vergessen wird. Ja, meine Bekannte erinnerte sich an jene Iris auch noch, als wir wieder zu ihr nach Hause gekommen sind. Sie konnte diese besondere weisse Iris mit einem ganz zarten bläulichen Rand einfach nicht vergessen. Im besten Fall hat sich diese Iris in ihr Gedächtnis eingeschrieben und sie wird sich auch später wieder ganz genau an sie erinnern können.

Mir persönlich fällt es eher schwer, mich an gewisse Dinge, Ereignisse ganz genau zu erinnern, aber ich erinnere mich zumindest an die Gefühle, die damit verbunden waren: Gerade weil meine Bekannte dermassen von dieser Iris begeistert war, ist mir das Aussehen dieser Iris auch ein bisschen im Gedächtnis haften geblieben.

Und ich bin dankbar, dass sie mich an ihrer Begeisterung teilhaben liess, an ihrem Moment kleinen Glücks.

Denn Schwieriges gibt es selbstverständlich auch im Leben meiner Bekannten, umso schöner ist es, dass sie auch Augen für Kostbarkeiten am Wegesrand hat und durch diese – Momente kleinen Glücks – reich beschenkt wird.

Welches sind Ihre Momente von kleinem Glück, welche Sie Schwieriges – mindestens für kurze Zeit – vergessen lassen und in Ihnen vielleicht auch ein Gefühl der Dankbarkeit hervorrufen?


Montag, 11. Mai – Jens Naske

Little Richard – Pfarrer und Rock’nRoll-Sänger

An Wochenende ist Richard Wayne Penniman alias Little Richard seiner Krebserkrankung erlegen. Er starb im Alter von 87 Jahren. Nicht schlecht für jemanden, der zeitweise ein sehr exzessives Leben geführt hatte. In nahezu allen Onlineausgaben der Zeitungen und Magazine wurde seines Todes gedacht und in den kommenden Tagen werden noch weitere Würdigungen folgen. Nicht wenige erfahren dabei vielleicht zum ersten Mal, dass der extrovertierte Showman neben seiner musikalischen Karriere auch Pfarrer war. Zweimal hatte er sich eine siebenjährige Auszeit vom Showbusiness genommen, um eine dreijährige freikirchliche Ausbildung zum Pfarrer zu machen und sich dem Predigen und dem Gospelgesang zu widmen. Das ist für das religiöse Empfinden der meisten Europäer zumindest irritierend, strotzten die Texte des Sängers in seinen jungen Jahren doch nur so vor Obszönitäten. Seine Plattenfirma musste einige Texte von professionellen Textern entschärfen lassen, es waren die 50er Jahre. Aber mit 25 Jahren hatte er sich ausgelebt und er wandte sich nach einem Erweckungserlebnis dem Evangelium zu. Diese Lebensphase dauerte insgesamt 14 Jahre (1957–1964 und 1977–1984). Auch als Pfarrer blieb seine Erscheinung extravagant, als Sänger sowieso, seine Predigt aber war mitreissend wie sein Gesang und ich wünschte, ich könnte mir davon eine Scheibe abschneiden.

Little Richard ist ein Beispiel, dass man Menschen nicht vorschnell in Schubladen stecken sollte, schon gar nicht vom Äusseren her. Friede sei mit ihm und das ewige Licht leuchte ihm!