Woche 10 / 18.–24. Mai

Sonntag, 24. Mai – Jens Naske

Der letzte Sonntag ohne

Die Zeit, in der es Gottesdienste nur in schriftlicher, digitaler oder televisionärer Form gab, nähert sich dem Ende. Heute ist der letzte Sonntag, an dem die Kirchgänger daheim feiern müssen. Ab kommenden Sonntag – Pfingsten – stehen die Kirchen wieder für die sonntägliche Feier zur Verfügung, freilich unter Einhaltung weitreichender Sicherheitsregeln. Neben dem üblichen Abstandsmass von zwei Metern und der gebotenen Händedesinfektion wird es keinen Gemeindegesang und kein Abendmahl geben. Auch müssen die Gottesdienstbesucher ihren Namen und ihre Telefonnummer notieren lassen, falls es trotz aller Vorsichtsmassnahmen wider Erwarten doch zu einer Ansteckung kommen sollte.

Worüber sich der eine ärgert, freut sich vielleicht ein anderer. Ich kenne Leute aus unserer Kirchgemeinde, die prinzipiell nicht in die Kirche kommen, wenn es Abendmahl gibt. Ich kenne noch mehr, die sich beharrlich dem gemeinsamen Gesang verweigern. Ihnen werden die Sicherheitsmassnahmen weniger ausmachen, als denen, für die ein Gottesdienst ohne Beteiligung der versammelten Gemeinde kein richtiger Gottesdienst ist, sondern ein pfarramtlicher Monolog mit musikalischen Unterbrechungen. Die Krise verlangt uns allen etwas ab, vor allem Rücksicht und Geduld. Und warum sollen nicht einmal die auf ihre Kosten kommen, die vor allem zuhören wollen, ohne etwas machen zu müssen. Wir Predigerinnen und Prediger werden uns Mühe geben, dass es für alle, die zu den Gottesdiensten kommen, eine gewinnbringende sonntägliche Stunde wird.

Allein, da viele Kirchgänger aus Altersgründen zur Risikogruppe zu rechnen sind, werden die Kirchen an Pfingsten nicht aus den Nähten platzen (was sie aufgrund des gebotenen Abstands auch gar nicht dürfen; die Besucherzahl in unseren beiden Kirchen im Kirchenkreis 10 sollte 45 Personen nicht überschreiten). Aber ein weiterer Schritt aus der Isolierung ist gemacht.

Wir Pfarrerinnen und Pfarrer werden in der kommenden Woche auch beratschlagen, ob wir nach Pfingsten dieses Coronatagebuch weiterführen werden. Es war ja ursprünglich gedacht als eine Möglichkeit, der Isolierung etwas entgegenzusetzen. Wenn Sie uns dazu eine Meinung kund tun möchten, schreiben Sie uns doch ein E-Mail oder rufen uns an!

Und wenn Sie noch einmal richtig laut Singen möchten, nutzen Sie den heutigen Sonntag und den Gottesdienst am Bildschirm. Da dürfen Sie noch einmal den gottesdienstlichen Gesang intensivst pflegen. Es sei denn der liebe Nachbar stört sich daran.


Samstag, 23. Mai – Yvonne Meitner

Neue Meditation – neue Erkenntnisse?  (Teil 1)

In meinem letzten Blog-Beitrag vom Dienstag 19. Mai habe ich ja versprochen von meiner neuen Meditation zu berichten.

Wie es so ist: Zuerst fällt einem das auf, was anders, neu ist und einen evtl. auch stört. Und eine gewisse Voreingenommenheit war wahrscheinlich auch durch das kürzliche Lesen eines Artikels mit dem Titel «Die Ego-Religion» vorhanden. Doch alles der Reihe nach.

In meinen Augen geht es bei dieser Meditation um mehr Fülle/Erfüllung in meinem Leben, mindestens lassen die Leitsätze – je einer pro Tag – der ersten Woche diesen Schluss zu:

«Ab heute ziehe ich in Gedanken die Fülle an», «Heute sehe ich all die Fülle, die mich umgibt.», «Von diesem Moment an lade ich unbegrenzte Fülle in mein Leben ein.» etc.. Während in den ersten Tagen der Blick für die positiven Dinge im eigenen Leben, in der Umwelt etc. geschärft wird, wird auch schon bald darauf fokussiert, was noch positiver in meinem Leben werden kann: «Heute fokussiere ich mich auf das, was ich in mein Leben ziehen will.»

Und bei den täglichen Audio-Meditationen werde ich auf dem Weg zu mehr Fülle konkret angeleitet: Ich erinnere mich noch, dass ich eine klare Absicht der gewünschten Fülle in meinem Leben entwickeln soll, welche dann der Same sein wird. Und das Universum wird sich um die Details kümmern…

Selbstverständlich pflichte ich der Meinung bei, dass unsere Gedanken, Vorstellungen unser Leben mitbeeinflussen; d.h. wenn ich immer negativ denke, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass mein Leben auch eher negativ verlaufen wird. Denn die Dinge, die mir in meinem Leben passieren, sind grundsätzlich neutral. Erst meine Gedanken dazu – die vielleicht auch erst durch meine Umwelt zu den meinigen werden – vor allem wie ich die erlebte Situation bewerte, lösen ein Gefühl aus.

Und meine Gefühle wirken auf mein Wohlbefinden und damit wieder auf meine Wahrnehmung, mein Verhalten und letztlich auf meine Realität.

Letztlich also nichts Neues, aber durch das tägliche Nachdenken darüber, werden mir diese Zusammenhänge wieder neu bewusst.

Was ist aber nun mit dem Verdacht, dass es sich bei dieser Meditation um eine «Ego-Religion» handle?

Selbstverständlich ist das auf den ersten Blick nicht zu leugnen, es geht prinzipiell um die Weiterentwicklung der eigenen Person. Allerdings kommt mir dazu auch das Doppelgebot der Liebe in den Sinn (z.B. Markusevangelium 12, 29-31), in welchem Jesus seine Zuhörer nebst der Gottes- und Nächstenliebe auch ausdrücklich zur Selbstliebe («wie dich selbst») auffordert. Und ich wage zu behaupten, dass nur wer gut für sich selbst sorgt = sich liebt, letztlich auch für andere da sein kann, sie lieben kann.

Oder mit Worten von Bernhard von Clairvaux, einem bedeutenden Kirchenlehrer des Mittelalters, ausgedrückt:

«Wenn du vernünftig bist, erweise dich als Schale und nicht als Kanal, der fast gleichzeitig empfängt und weitergibt, während jene wartet, bis sie erfüllt ist. Auf diese Weise gibt sie das, was bei ihr überfliesst, ohne eigenen Schaden weiter. Lerne auch du, nur aus der Fülle auszugiessen, und habe nicht den Wunsch, freigebiger zu sein als Gott. Die Schale ahmt die Quelle nach: Erst wenn sie mit Wasser gesättigt ist, strömt sie zum Fluss, wird zur See. Die Schale schämt sich nicht, nicht überströmender zu sein als die Quelle.

Ich möchte nicht reich werden, wenn du dabei leer wirst. Wenn du nämlich mit dir selbst schlecht umgehst, wem bist du dann gut? Wenn du kannst, hilf mir aus deiner Fülle; wenn nicht, schone dich.» (Aus: Bernhard von Clairvaux «Werke», Innsbruck 2002)

Was mir weiter auffällt und welche Unterschiede ich zum christlichen Glauben feststelle, werde ich in einem anderen Blog-Beitrag schildern.


Freitag, 22. Mai – Martin Günthardt

Da berühren sich Himmel und Erde

«Wo Menschen sich vergessen, die Wege verlassen und neu beginnen, ganz neu, da berühren sich Himmel und Erde, dass Frieden werde unter uns.»

Unser Kantor Peter Aregger hat das Lied aus dem blauen Liederbuch «Rise Up» im Fernsehgottesdienst aus der Kirche Oberengstringen gesungen. Es passt nicht nur zu Auffahrt, sondern hat mich auch an unseren monatlichen Fünftklass-Unterricht «Club5» in Höngg erinnert. Peter Aregger ist da auch dabei und wir singen immer mit ihm verschiedene Lieder.

Der Titel des Club5 im Mai lautet «Einfach Himmlisch». Leider mussten wir ihn dieses Jahr aus bekannten Gründen absagen. An diesem Abend singen wir eben auch jeweils «Da berühren sich Himmel und Erde». Wir überlegen mit den Fünftklässlern, was sie mit dem Wort «Himmel» verbinden und sich darunter vorstellen. Zum Abschluss malen alle auf einer A6-Karte ein Bild von ihrem Himmel.

Die Bandbreite ist immer verblüffend überraschend: Palmenstrände mit blauem Meer, aber auch das eigene Wohn- und Schlafzimmer mit allerlei Wunschgegenständen wie ein grosses Bett, eine tolle Musikanlage oder ein Riesencomputer.

Wichtige Bezugspersonen, Familie und Freunde, finden oft ihren Platz. Und natürlich Haustiere, aber auch persönliche Lieblinge aus dem Tierreich wie Löwen, Elefanten, exotische Vögel und sogar einen Dinosaurier. Oft gibt es natürlich auch genug zu essen, sowohl Früchte und Beeren, aber auch mal ein Mac Donalds oder ein Süsswarenladen.

Alle diese Karten binden wir zum Abschluss an Heliumballone und lassen sie vor der Kirche Höngg in den Himmel steigen. Manche fliegen ganz weit und andere nur bis in meinen Pfarrgarten.

Wo ist Gott? Das hat Matthias Reuter in seiner Predigt gefragt. Eben dort, wo sich Himmel und Erde berühren, dort wo Menschen Gottes Frieden erfahren. Leider sehen wir auf dieser Erde aber auch immer wieder, dass es viel Leid und Ungerechtigkeit gibt. Gerade in Corona-Zeiten: Die Schwächsten und Ärmsten sind auch am stärksten von der Pandemie betroffen.

Und so ist es doch gut, dass wir immer wieder den Blick himmelwärts wenden dürfen im Vertrauen, dass unsere Bitten und Gedanken zu Gott kommen.

Bild: Club5 vom Mai 18, die Ballone sind schon hoch, aber rechts unten ist der Kirchturm gut erkennbar.


Auffahrt, 21. Mai – Anne-Marie Müller

Himmelfahrt, Aufffahrt.

Ich habe die Predigt von Matthias Reuter gelesen, der festhält, dass der Himmel überall ist, wo Gott ist – und Gott ist überall. Da ist mir ein Artikel eingefallen, den ich vor etlichen Jahren für das „Frauen Forum“ geschrieben habe: „Himmel in der Seelsorge“. Ich drucke Ihnen hier in einer Zusammenfassung diesen Artikel ab:

In der Seelsorge ist der Himmel selten explizit Thema. Ab und zu unterhalten wir uns darüber, was uns vielleicht nach dem Tod erwarten mag, oder ich predige über das Reich Gottes, das Reich der Himmel. Häufiger begegnen mir verschleierte, kaum fassbare Vorstellungen, gerade, wenn jemand bei zunehmender Demenz keine langen Erklärungen mehr formulieren kann: Die Erwartung, den Eltern sehr bald zu begegnen zum Beispiel. Es bleibt dann offen, ob die Menschen sich in der Erinnerung „verirrt“ haben und denken, sie seien noch Kinder oder junge Erwachsene, oder ob sich diese Erwartung auf die Zukunft bezieht, in Sehnsucht und Hoffnung auf einst erlebte Geborgenheit. Eine Bewohnerin erzählte mir, wie sie jeden Tag „mit ihrem Mann bete“, und zeigte dabei auf das Bild ihres verstorbenen Mannes über ihrem Bett. Im Gebet fühlt sie sich verbunden mit dem verlorenen Glück, die Frau begibt sich beim Beten gewissermassen in einen Raum, den sie noch immer mit ihrem Mann teilen kann: in die Hand Gottes. Das ist für mich auch eine Vorstellung von Himmel. Ganz sicher ist sie, dass ihr Mann irgendwie, irgendwo noch existiert, und dass sie ihm nach dem Tod wieder begegnen wird.

Eine sterbende Frau hat auf einmal im Halbtraum wieder und wieder gerufen: „Macht die Tür auf! Macht die Tür auf! Ich will in die Kirche!“ Einige Monate zuvor war sie aus der Kirche ausgetreten, und ich konnte nur ahnen, was sich da mischte an Vorstellungen von jüngstem Gericht, Himmelspforte und vielleicht auch schlechtem Gewissen. So gab ich ihr die einzige Antwort, die ich mir vorstellen konnte: „Die Tür ist offen. Sie müssen nicht vor verschlossener Türe stehen“. Und dann las ich ihr aus dem Matthäusevangelium vor: „Bittet, so wird euch gegeben; sucht, so werdet ihr finden; klopft an, so wird euch aufgetan.“ (Matth.7,7).

Eine andere Frau erwartet ganz sachlich: „Ich glaube, dass wir einfach von allen irdischen Lasten befreit sein werden“. Sie ist gläubige Katholikin, aber nach dem Tod, findet sie, soll es vorbei sein mit allem. Dies empfindet sie als Erleichterung.

Ich merke, dass es nicht so wichtig ist, was ich über den Himmel rede. Viel wichtiger ist die Haltung, die aus meiner eigenen Vorstellung von Himmel resultiert. Und diese Vorstellung ist natürlich geprägt von den Gleichnissen im Neuen Testament – vom  kleinen Senfkorn, das zum bergenden Baum wird, von der kostbaren Perle, vom grossen Festmahl. Da kann etwas wachsen, sich entwickeln, etwas, das zu suchen sich lohnt, da lockt Gemeinschaft und Freude. Da beginnt etwas ganz irdisch, mitten unter uns, vielleicht gar mitten in uns, und hört nicht auf.

Diese Vorstellungen haben Folgen für mein eigenes Leben, und eben auch für die Art, wie ich Seelsorge übe.

Ich versuche, mein Leben zu begreifen als etwas, das wird und wächst, immer noch, das durch alles hindurch zu seiner Form findet, zu seinem Sinn findet. Das zu einem grossen Ganzen gehört, auch wenn es sich verloren fühlt. Verluste, Schmerzen, Abbrüche, Schnitte – alles versuche ich zu verstehen als zu meinem Leben und zu meiner Person gehörig, als Teil meines Weges „zum Himmel“, dahin, wo Gott mich haben will.

Auch wenn es sich nach Auflösung anfühlt – dann löse ich mich hoffentlich auf in Gott, im Himmel.

Aus dieser Haltung, aus diesem Glauben heraus begegne ich den Menschen. Ihre Knörze, Narben, Abschnitte, ihre Fähigkeiten, Entwicklungen, Schönheiten – alles ist Teil dieses Prozesses, der sie letztlich mehr zu den Menschen machen kann, als die sie gedacht sind. Alles darf deshalb sein. Nichts fällt aus dem Himmel hinaus.

Natürlich ist das oft auch schwer. Ich hadere mit Schmerzen und Ungerechtigkeit, mit Unzulänglichkeit und Verlust. Und erst recht, wenn mir etwas wirklich böse erscheint. Menschen erleben so unglaublich Vieles, so unendlich Schweres! Und tun so Unverständliches.

Dennoch halte ich fest daran: es muss einen Sinn ergeben, eine Form finden. Wir sind geschaffen als Teil des Himmels und werden dies immer mehr, indem wir wachsen, geschnitten werden, uns auflösen, erlöst werden.


Mittwoch, 20. Mai – Jens Naske

Gartengedanken

Das Oberengstringer Pfarrhaus hat einen grossen Umschwung mit viel Grün. Ich habe aber keinen grünen Daumen, weswegen ich mich auf die grobmotorischen Tätigkeiten im Garten beschränke. Den Rasen mähe ich gern, weil man den Unterschied vorher/nachher deutlich sieht. Was ich allerdings partout hasse, ist das Jäten der Brombeerbuschtriebe. Überall im Garten kommen sie in diesen Tagen wieder heraus. Gestern habe ich mir wieder einige Kratzer an meinen Unterarmen an ihnen geholt. Es ist unmöglich gegen sie anzukommen. Seit Jahren versuche ich den Garten von ihnen zu befreien, aber kaum meine ich es an der einen Seite des Gartens geschafft zu haben, kommen sie an anderen Ecken umso kraftvoller heraus. Ich hatte schon Albträume, das die Brombeersträucher das Pfarrhaus eines Nachts zuwachsen wie bei Dornröschen das Schloss.

Es ist für mich als Theologen irritierend, dass Gott ausgerechnet den Brombeerbusch erwählt hat, um sich zu offenbaren. Sie kennen die Geschichte von dem brennenden Dornbusch aus dem heraus er sich Mose zu erkennen gab, und ihn beauftragte, sein Volk aus Ägypten zu führen. Was Sie aber vielleicht nicht wissen, dass es sich dabei um einen Brombeerbusch gehandelt hat. Im geheimnisvollen Katharinenkloster auf dem Sinai wird ein Ableger dieses brennenden Dornbuschs verehrt. Es handelt sich eindeutig um einen Brombeerbusch.

Kein Wunder, mögen Sie sagen, wird in der Bibel doch erzählt, dass der Dornbusch vom Feier nicht verzehrt wurde. Welche Pflanze sonst sollte in der Lage sein, ein Feuer zu überstehen. Trotzdem bleibt es für mich schwierig, Gott mit einem Gewächs in Verbindung zu bringen, gegen das ich ankämpfen muss, von dem ich ständig verletzt werde, und das ich am Liebsten weg hätte! Aber vielleicht liegt Gottes Wahl ja gerade darin begründet, dass er uns in dem begegnet, mit dem wir am kämpfen und hadern sind?

Übrigens, ein Nationalgericht für uns Hamburger ist die Rote Grütze, ein Sommerdessert, das aus Beerenfrüchten gekocht und wahlweise mit Rahm, Vollmilch oder Vanillesosse gegessen wird (was genau, das ist eine Glaubensfrage, ähnlich der Frage, ob man eine Kalbsbratwurst mit oder ohne Senf isst). Meine Grossmutter hat die beste Rote Grütze gemacht. Sie war himmlisch und ausschliesslich aus Brombeeren! Wie nah doch Verletzendes und Himmlisches oft beieinander sind!


Dienstag, 19. Mai – Yvonne Meitner

Die Corona-Krise treibt auch spirituelle Blüten

Wie die Corona-Krise glücklicherweise solidarische Blüten hervorgebracht hat und es immer noch tut – siehe auch das enorme Echo auf die Taschenaktion für Menschen auf der Gasse: Blogbeitrag von gestern Montag – treibt sie auch andere Blüten.

Während ich immer noch am Üben des Herzensgebets bin (Näheres dazu siehe frühere Blogbeiträge) hat mich vor kurzem ein Bekannter angefragt, ob ich bei seiner virtuell – d.h. Kommunikation per WhatsApp-Gruppe – neu geschaffenen Meditationsgruppe mitmachen wolle. Da ich ja grundsätzlich ein neugieriger Mensch bin und mich vieles interessiert, dachte ich, mitmachen könne nicht schaden und sehr wahrscheinlich könne ich sicher noch etwas dabei lernen. Ja, lernen kann ich dabei einiges; denn jeden Tag bekomme ich mehrere Impulse für den Tag:

Es gibt sowohl einen Satz wie auch eine fremdsprachige Wortkombination, welche ich an diesem Tag meditieren soll, ein geleitetes Meditationsvideo und dazu noch konkrete Aufgaben, die allerdings freiwillig sind.

Dieser Meditationsgruppe sind über 500 Personen angeschlossen und es funktioniert nach dem sogenannten «Schneeballsystem»: Sobald jemand über eine gewisse Zeit mitgemacht hat, wird er/sie gebeten, selbst eine Gruppe zu gründen – so wie mein Bekannter, der nun unter anderem mich angefragt hat – und diesen Mitgliedern ebenfalls die Impulse weiterzugeben. Nach dem Motto: Was dir selbst gut tut, lasse bitte auch anderen zukommen.

Immerhin entstehen dabei keinerlei Kosten, nur der Druck der täglichen «Hausaufgaben» bleibt und dass – sobald diese erledigt sind – es auch der Gruppe mitgeteilt werden soll, z.B. Tag X ist erledigt.

Ich finde es faszinierend, wie viele erwachsene Menschen jeden Tag freiwillig «Hausaufgaben» machen und das Erledigen auch jeweils mitteilen (letzteres wird jedoch sozusagen erwartet). Und dass anschliessend manche bereit sind, selber eine Gruppe zu gründen und diese wiederum jeden Tag mit «Hausaufgaben» zu versorgen.

Und während bei einer christlichen Meditation wohl schnell der Einwand käme, dass hier Mission betrieben wird, scheint sich hier niemand daran zu stören, dass fremdsprachige Wortkombinationen wiederholt aufgesagt werden sollen und immer wieder zu tiefsinnigen, aber auch sehr persönlichen Aufgaben eingeladen wird.

Mir kommt dabei das Wort des Apostels Paulus an die Gemeinde in Thessaloniki in den Sinn «Prüft aber alles, das Gute behaltet!» (1. Thessalonicher 5,21)

Ja, ich prüfe weiterhin alles kritisch und behalte das Gute.

Was das konkret ist resp. mich zum Nachdenken anregt hat, werde ich in einem anderen Blog-Beitrag schildern.


Montag, 18. Mai – Martin Günthardt

Vielen Dank für Ihre Grosszügigkeit!

Seit zwei Wochen bin ich nun gelegentlich am Nachmittag in unserer Höngger Kirche im Rahmen des Präsenzangebotes, das wir im Pfarrteam abgesprochen haben. Manchmal ist es ruhig und ich bin alleine; ich habe Zeit zum nachdenken und beten oder einfach das Licht der Osterkerze im Chor zu betrachten.

Immer wieder aber öffnet sich die Türe: Manchmal guckt nur jemand vorsichtig hinein, vielleicht nur um zu schauen, ob die Kirche wirklich offen ist. Ab und zu setzt sich jemand in eine Bank zum innehalten und es gibt einen stillen Blickkontakt. Immer wieder gibt es auch einen kurzen Austausch oder sogar ein kleines Gespräch.

Ganz viele Menschen aber sind in diesen Tagen in die Kirche gekommen um eine schön gefüllte Einkaufstasche zum Taufstein zu bringen für unsere Sammelaktion «Broken Bread». Als wir am Freitagnachmittag zählten und den Transport vorbereiteten, waren wir freudig überrascht: Es sind über 90 Taschen zusammengekommen, so dass wir meinen VW Golf zweimal voll beladen konnten. Und auch in der Kirche Oberengstringen konnten wir nochmals 10 Taschen einpacken. Ganz herzlichen Dank für Ihre Grosszügigkeit!

Gemeinsam mit der Jugendarbeiterin Cynthia Honefeld bin ich dann über die Hardbrücke an die Bullingerstrasse gefahren, wo Schwester Arianne vom Verein «Incontro» in der Hardausiedlung einen von der Stadt zur Verfügung gestellten Lagerraum hat. Dort werden die Taschen kontrolliert und fürs Verteilen vorbereitet. Gemeinsam mit Freiwilligen macht Schwester Arianne immer am Samstagabend eine Tour rund ums Langstrassenquartier.

Die Lebensmittel werden dringend benötigt von Menschen, die es schon vor der Corona-Zeit schwer hatten und am Rande der Gesellschaft stehen. Obdachlose und Suchtkranke, aber auch Sans-Papier, die keiner Arbeit mehr nachgehen können und viele ausländische Frauen aus dem Milieu, die durch die Grenzschliessungen hier festsitzen und auch kein Einkommen mehr haben.

800 Taschen sind es, welche nun wöchentlich verteilt werden –  und die Nachfrage wird in den nächsten Wochen sicher nicht zurückgehen. Schön, dass wir als Kirchenkreis 10 diese wichtige Arbeit ganz konkret unterstützen können, zusammen mit anderen Kirchgemeinden, Pfarreien und Privatpersonen.

«Denn ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben. Ich war durstig, und ihr habt mir zu trinken gegeben. Ich war fremd, und ihr habt mich aufgenommen. Ich war nackt und ihr habt mich bekleidet. Ich war krankt, und ihr habt euch meiner angenommen. Ich war im Gefängnis und ihr seid zu mir gekommen.» (Matthäus 25, 35-36)