Zuerst, quasi als Einstimmung in die Welt des musikalischen Hochbarocks und damit zum nachfolgenden Oratorium «Donnerode» erklang die Kantate «Gott Zebaoth, in deinem Namen frohlocket Tabor und Hermon vergnügt», angestimmt durch den jungen Tenor Loic Paulin mit seiner klaren, angenehmen Stimme und unterstützt durch das Orchester mit seinen barocken Instrumenten. In dieser ersten Arie sollte eigentlich frohlockt werden, die Moll-Tonlage verriet aber, dass es eigentlich ein Lamento sein sollte. Die darauffolgende Sopranarie, eigentlich ein voll durchgesungenes Rezitativ, machte trotz des schwierigen Textes auf Tempo. Catriona Bühler meisterte sie eindrücklich und verlieh ihrer Stimme einen feinen Schmelz. Darauf folgten eine kurze Bassarie, eine kurze, jubelnde Chorintervention und die Arie «Die Welt spielt oft mit Bisamknöpfen», von Alexandra Forster mit voller Stimme vorgetragen und von den Bässen präzis ergänzt und kontrastiert. Die Kantate schloss mit einer kurzen Tenorarie und dem Choral «Mach mir stets zuckersüss den Himmel und gallebitter diese Welt; (…) machs nur mit meinem Ende gut», ein pralles Stück barocker Musik und Weltsicht.
Am 1. November 1755 zerstörte ein Erdbeben mit darauffolgendem Tsunami die portugiesische Hauptstadt Lissabon fast vollständig. Mit bis zu 100’000 Todesopfern ist dieses Erdbeben eine der verheerendsten Naturkatastrophen der europäischen Geschichte. Es hatte nicht nur erhebliche Auswirkungen auf die Politik Portugals. Es bewegte auch den Rat von Hamburg – dem auch heute vor Sturmfluten bangt – und gab dem damals 75-jährigen Komponisten Georg Philipp Telemann den Auftrag, zumindest musikalisch eine Antwort auf die Katastrophe zu geben. Die Uraufführung am 11. März 1756 in der Kirche St. Jakobi in Hamburg geriet zum vollen Erfolg, so dass Telemann sich veranlasst sah, noch einen zweiten Teil dazu zu komponieren.
Für Peter Aregger stellte sich wohl die Frage, ob und wie er mit Orchester, Chor und Solisten dem Komponisten und dem Auftraggeber und nicht zuletzt der barocken Aufführungspraxis von 1756 gerecht werden könne? Die Antwort ist ziemlich lapidar: Ja, er konnte. Weil das Orchester «den Barock» intus hat, mit den Trompeten brilliert, der Barockoboe jubiliert, mit den Streichern stöhnt und zirpt und es mit den Pauken und Bässen krachen lässt, dass es einen schaudert. Weil der Chor sich immer wieder herausfordern lässt und mitfiebert, und weil Catriona Bühler, Alexandra Forster, Loïc Paulin und Christian Marthaler allesamt schöne, tragende Stimmen haben, die sie allein, zu zweit oder zu viert einsetzen, immer bedacht, diese auch stimmungsgenau einzusetzen. Aber auch, weil Peter Aregger alle mit seiner scheinbar leichten Art und seinem ansteckenden Feu sacrée zu neuen musikalischen Ufern mitnimmt. Ja – es hat gedonnert, und wie. Die Fragen nach dem Übel in der Welt vermehren sich, statt zu verschwinden, Telemanns Musik kann einen – gerade heute – etwas Trost und Hoffnung geben.
(Bericht von François Baer im "Höngger)