Würde des Menschen in Zeiten der Pandemie?

Die Schweiz gehört in der zweiten Welle der Corona-Pandemie zu den Ländern mit der höchsten Sterberate. Hunderte von Menschen fallen dem Virus wöchentlich zum Opfer. Während der Bund die Zahl der Toten täglich kommuniziert, bleibt es um die Verstorbenen in der Öffentlichkeit still.

Eine Gruppe von Pfarrpersonen ruft deshalb in einer Erklärung zu einem anderen Umgang mit dem Sterben auf. Es könne nicht sein, dass Menschenleben zum blossen «Bestandteil einer Statistik» würden, heisst es in der Erklärung «Was ist der Mensch, dass du an ihn  denkst?». Initiiert wurde diese von den Zürcher Pfarrern Michael Wiesmann und Martin Peier sowie dem Bündner Theologiestudenten Jan Bergauer-Dippenaar.

«Schicksale relativiert»

Die Initianten kritisieren unter anderem, dass das Schicksal der Opfer mit dem Hinweis auf Alter, Übergewicht und Vorerkrankungen relativiert werde. «Dadurch verschiebt sich der Wert des Lebens in eine gefährliche Richtung einer impliziten Schuldzuweisung jenen gegenüber, die man der Gruppe der Vulnerablen zuweist», heisst es in dem Schreiben.

Dies zeigten auch die aktuellen Debatten um den «Senizid». Der Tod von Menschen hohen Alters werde in der Pandemie nicht nur in Kauf genommen, sondern diesen Menschen zugemutet. So werde akzeptiert, dass die Alten in eine kollektive Isolation geschickt würden und ein isoliertes Sterben erleiden müssten. «Es ist davon auszugehen, dass sich bei einer dritten Welle der Senizid verstärkt in der irrigen Meinung, dass dadurch Covid-19 verhindert würde», schreiben die Initianten.

In der Krise allein gelassen seien aber nicht nur die Kranken und Angehörigen, sondern auch die Helfenden. So könnten Ärztinnen und Pflegende den Kranken oft nicht die angemessene Behandlung zukommen lassen. Mangels Kapazitäten müssten sie Entscheidungen über Tod und Leben treffen. «Keinem Menschen sollte diese Bürde auferlegt werden, wenn auch nur der Hauch einer Alternative besteht», heisst es in der Erklärung.

Über den Tod reden

Die Initianten rufen deshalb dazu auf, die Würde der Betroffenen in der Corona-Pandemie zu achten und die Helfenden zu unterstützen. Die rasch steigende Zahl der Corona-Fälle verpflichte dazu, mit den Betroffenen und über die Verstorbenen zu sprechen. Insbesondere seien die Regierung, die Medien und die Kirchen aufgefordert, sich dieses Anliegen auf die Fahne zu schreiben.

Die Erklärung ist seit dem 23. November online. Zu den Erstunterzeichnenden gehören unter anderem die Zürcher Pfarrerin Sibylle Forrer, die ehemaligen Sprechenden des «Wort zum Sonntag» Catherine McMillan Haueis und Simon Gebs oder die Berner Pfarrerin Ella de Groot. (no)

Beitrag von der Website der Landeskirche